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Zeitalter der Abklärung IX: Die manichäische Linse

1. Der Jahrmarkt

Es ist nie leicht, über das aktuelle Zeitalter zu schreiben. Es fehlt die Distanz; die Analysen, Diagnosen und Therapien sammeln sich, ohne Unterschied ihrer Qualität, wie auf einem Jahrmarkt, in dem der zusammenhangloseste Ramsch feilgeboten wird von den zugehörigen Schreiern….also schließe ich mich nun an, eröffne mein eigenes Marktstandl und schreie, irgendwo zwischen Kapitalismus-Ringelspiel und Tolerantismus-Geisterbahn, mit!

Vielleicht findet sich unter dem Ramsch auch etwas mit antiquarischem Potential.

Ich habe mich also gefragt, was den extremen Glaubensabfall der Gesellschaft bewirkt. Die „Vernunft“ und die „Wissenschaft“,  die oft als Begründung dafür angegeben wird, kann es nicht sein.

Denn zum einen sehen wir, dass die „Vernunft“ unserer Gesellschaft nicht gerade im Wachsen begriffen ist, (dazu später), zum anderen sind es gerade militante Atheisten, die meistens eben nicht vernünftig, sondern emotional argumentieren. Dass die „Wissenschaft“ die Falsifikation Gottes  durchgeführt hätte, wird zumeist von solchen, deren offensichtlich dürftige naturwissenschaftliche Kenntnisse durch szientistischen Pathos ersetzt werden, argumentiert. Siehe „derstandard „- Forum.

Es lohnt sich nicht, darauf näher einzugehen. Die „Vernunft“ ist in dieser Argumentation nur ein Teil einer psychologischen Hilfskonstruktion.

Viel interessanter ist die Frage, was diese Hilfskonstruktion verstecken oder verdrängen soll.

Meistens wohl nur ein totales Desinteresse an metaphysischen Dingen, eine im mainstream mitschwimmende Geistesträgheit, für die man sich dann doch geniert, weshalb die „Vernunft“, die „Aufklärung“ etc vorgeschoben wird.

Es gibt wohl aber noch einen anderen Grund: und das ist die Freiheit!

 

2. Freiheit

Viele Menschen haben Angst, durch den Glauben die Freiheit zu verlieren, und die europäische Geschichte scheint ihnen durch viele Beispiele recht zu geben: Inquisition etc.

Der Begriff der „Freiheit“ ist natürlich ein Zentralbegriff des Zeitalters der Abklärung.

Und interessant, wie die Freiheit (ohne Anführungszeichen)  ausgehöhlt wird. Viele Menschen können mit der Freiheit nichts anfangen. Das Zeitalter der Abklärung führt diesen Begriff denn auch nicht unter seiner eigenen Bedeutung, sondern als Tradition, gewissermaßen als Reflex.

Ein Beispiel: Als ich vor einigen Jahren ein paar Gedanken über die Tugenden des „Gehorsam“ niedergeschrieben habe, hat sich @Muriel von diesem Blog verabschiedet. Ziemlich beleidigt, wie mir schien. Oder gar wütend?

Kein Wunder: Gehorsam gilt heute als Antagonist einer (pathetisch verstandenen) Freiheit. Da nun aber die Freiheit der Abklärung ein Reflex ist, muss man sich auch reflexartig von allem, was scheinbar nicht „Freiheit“ ist, trennen. Man muss es ausspucken, aushusten, ausniesen.

Dass ich in diesen meinen Gedanken über den Gehorsam auch ausgeführt habe, dass gerade diese Tugend ein Höchstmaß an Reife und Freiheit benötigt, spielt da keine Rolle. Reflexe haben eben nur eine sehr kurze Aufmerkssamkeitsspanne. Alles, was über einen Halbsatz geht, kann leider nicht mehr perzepiert werden….

Kein Wunder also, dass das Zeitalter der Abklärung zu Husten und Niesen beginnt, wenn es Begriffe wie „Glaube“ und „Religion“ hört. Aber das hat nichts mit Vernunft zu tun, auch nichts mit Aufklärung, sondern nur mit Schluckbeschwerden, wie sie Dinge auslösen, die nicht der atheistischen Tradition entsprechen.

Tradition ist schließlich auch eine Art Schleim, die das Schlucken erleichtert….

….und diese Tradition gibt heute Anti-Religiosität als Kodex an. Dass ein fundierter Glaube die Freiheit mitnichten einschränkt, sondern fördert, ist ein Gedanke, der sich ganz einfach nicht gehört.

…womit sich nun die Frage stellt, wie diese „Freiheits“-Tradition entstanden ist, und wie die Aushöhlung der tatsächlichen Freiheit vonstatten geht, wobei wir letzteres natürlich im Ansatz schon sagen können: Da der Mensch mit Freiheit meistens nichts anfangen kann, MUSS er sie ja abschaffen, und zwar so, dass nichts an der Tradition rüttelt.

3. Forensik

Nach der Nazi-Tyrannei, in der „man zu allem gezwungen wurde, was nicht verboten war„, ein Satz, der freilich auf alle Diktaturen zutrifft, wurde es wieder freier. Trotzdem waren die 50er und 60er Jahre noch sehr spiessig. Wien – eine Stadt der Kriegs- und Hofratswitwen, grau in grau. Die Freiheit war allein schon durch den Materialismus dieser Zeit stark eingeschränkt: Kapitalismus oder Kommunismus – sonst gab es nichts. Dazwischen ein eiserner Vorhang.

Dass diese beiden Ideologien, und die sich in ihrem Schlepptau befindlichen Liberalismus und Nationalismus, die Kehrseite ein- und derselben materialistischen Medaille sind, scheint bis heute kaum jemand zu verstehen. „Linksliberal“ und „Rechtsnational“ unterscheiden sich nur durch ihre Schattierung.

Unzweifelhaft kommt den 68ern der Verdienst zu, Europa und die USA aus dem Nachkriegs-Mief gerissen zu haben. Hier wurde tatsächlich etwas geschaffen, das als Basis einer neuen, hoch verstandenen Freiheit hätte dienen können. Es ist kein Zufall, dass auch das 2. Vatikanum in diese Zeit fällt (wenngleich wir freilich einen Kausalzusammenhang zwischen diesem und der Berliner Kommune 1 vergeblich suchen werden.)

Es gab philosophische, esoterische, soziale, spirituelle, drogentechnische und erkenntnistheoretische Ansätze, und kluge Köpfe, die diesen Spannungsraum zu harmonisieren versuchten, wie Adorno mit seiner „negativen Dialektik“, Horkheimer, und ein junger brillanter Theologe namens Josef Ratzinger. Jawohl, genau der.

Der Materialismus musste aber die 68er veröden lassen: Die sublime, zwischen den Zeilen geschriebene Mystik Adornos wurde vom eigenen Materialismus zerquetscht. Dem durchschnittlichen Studenten musste Adorno sowieso zu hoch sein, also las er das heraus, was er zu verstehen glaubte: Eine plakative Anbetung Mao Tse Tungs, Che Guevaras und anderer Mörder, während Adorno selbst vom Podium gemobbt wurde.

Auch die zarten esoterischen, spirituellen und theologischen Ansätze hatten gegen das heisere und immer lautere Geschrei keine Chance, sodass sich erstere in die vier Wände zurückzogen (es warteten gute Jobs), letztere aber, unter sich immer stärker radikalisierendem Gebrüll, sich zur RAF entwickelten: eine linke Version des Nationalsozialismus: „Alle Bullen sind Schweine.“ Wenn man das Wort Bulle durch das Wort Jude ersetzt, wird die Parallele klar.

Aus der „negativen Dialektik“ Adornos wurde die primitive Dialektik der RAF und ihrer Sympathisanten. Andreas Baader hätte Europa wieder zur Diktatur gemacht, mit Claus Peymann als Propagandaminister.

Trotzdem lässt sich sagen, dass der -freilich zerbröselte- Spannungsraum zwischen Baader und Benedikt XVI starke Spuren einer zumindest institutionellen Freiheit hinterlassen hat. Das haben wir der breiten Mitte jener zu verdanken, die bei den 68ern mitgenascht haben, ohne sich allzusehr fixieren zu wollen: Also jenen, die dann fertig studiert und die guten Jobs bekommen haben. Diese wollten sich die Freiheit nicht nehmen lassen und haben sie mit einem gutbürgerlichen Dasein harmonisiert.

Den Kindern der 68er wurde Freiheit als höchstes Gut beigebracht, und das Geld als das, das die Freiheit erst lebenswert macht: Urlaub! Flugzeug! Thailand! Porsche! Wir sind also bei den Juppies und Geldscheissern der 80er und 90er, gemischt mit den langsam grau werdenden 68ern, ein Biotop, das also die Freiheit liebte, aber leider nicht mehr wusste, wozu sie gut war. Es begann die geistige Vorherrschaft der Köche und der Restaurantführer. Denn beim noblen Essen finden Alt-Kommunisten und Jung-Kapitalisten zusammen, und kommen, zwischen Osietra-Kaviar und Blutorangenparfait, und nach 8 Weinen zum Schluss, dass man einander ohnehin ähnlich ist. Was man, siehe oben, durchaus unterschreiben kann.

4. Das Wabern im Hintergrund

Wozu aber ist die Freiheit gut? Diese Frage waberte im Hintergrund, und sie wabert noch immer. Und sie ist bedrohlich geworden. Denn kaum etwas ist schrecklicher als die Erkenntnis, dass man mit der absoluten Freiheit nichts anfangen kann.

Egon Friedell sagt: „Man gebe einem Postmann, einem Turnlehrer oder einem Verkäufer die freie Verfügung über seine Zeit: Er wird entweder trübsinnig werden oder zu einem Schurken.“

Die Freiheit wirklich auskosten, kann nur ein Teil der Menschen: Die Philosophen und Philosophischen, die Geistigen und Geistlichen, die Künstler. Letztere aber auch nur dann, wenn ihre Motivation nicht ausschließlich „die Revolte gegen Unfreiheit“ ist: Wenn da keine „Unfreiheit“ mehr ist, wäre ein solcher Roman zb. ziemlich redundant, die Katze bisse sich in den Schwanz….

Die nach 1968 geborene Generation hatte also das Problem, nicht mehr revoltieren zu können, weil die Freiheit schon errungen war.

Mich erinnert das an den alten Bilderwitz: Zwei Alt-Punks sitzen an der Theke und saufen. Kommt ein Junger herein, in Anzug und Krawatte, mit Seitenscheitel. Der Junge zum Alt-Punk: „Hi, Papa!“ Fragt der andere Alt-Punk: „Was ist denn mit deinem Sohn los?“ Sagt der eine Alt-Punk: „Der revoltiert gerade!

Aber hat Freiheit denn eine Begrenzung? Ist Freiheit nicht irgendwie etwas Unendliches? Ja; die innere Freiheit ist, bin ich sicher, unendlich. Die äußere Freiheit bildet aber hierzu nur den Rahmen: Dass alles erlaubt ist, was einem anderen keinen Schaden zufügt. Jeder funktionierende Rechtsstaat sollte diesen Rahmen ermöglichen und über ihn wachen. Das Ausmaß der inneren Freiheit aber liegt bei jedermann selbst.

Da das Zeitalter der Abklärung aber innen und außen verwechselt, verwechselt es logischerweise auch innere und äußere Freiheit. Durch die Introspektion gelangt man zwangsläufig irgendwann zum Geist; dieser aber wird von der Abklärung verleugnet. Wenn aber „Geist“ nicht mehr sein soll als die Synapsentätigkeit des Gehirns, wenn die höchsten Dinge wie das Gute an sich, die Liebe, die Moral etc, zu biologischen Wechselwirkungen degradiert werden, so werden sie ignoriert und schließlich abgeschafft.

Da sich aber die innere Freiheit um eben diese höchsten Dinge dreht, musste sich die Suche nach ihr zwangsläufig nach außen stülpen: Man sucht die innere Freiheit in der Politik, in der Gesellschaft, im Konsum, kurz: dort, wo sie nicht zu finden ist.

 

5. Die manichäische Linse

Wir haben ganz Ähnliches schon bei den Tugenden der Abklärung gesehen: Nur die Tugend der Toleranz ist verblieben, gerade, weil diese eine komplett äußere und äußerliche Tugend darstellt (siehe dieser Blog, weiter unten). Mit dieser versucht die Abklärung nun vergeblich, das vakuumierte Innenleben zu füllen.

Ebenso versucht das Zeitalter der Abklärung, die Freiheit zu verinnerlichen, in dem sie sich vergeblich der äußeren Freiheit weiter annähert, als dies möglich ist.

Ich möchte das mit einem kleinen metaphorischen Ansatz beschreiben.

Man stelle sich vor, man liest ein Buch (am besten eines über Freiheit!). Wenn man nun das Buch in zwei Metern Entfernung hält, wird man es nicht lesen können; da sieht man die Buchstaben zu klein. Wenn man das Buch aber unmittelbar vor der Nase hält, kann man es auch nicht lesen: Da werden die Buchstaben unscharf! Nur in der angemessenen Entfernung kann man das Buch tatsächlich lesen.

Ebenso, scheint mir, ist es mit der äußeren Freiheit: Das Zeitalter der Abklärung sieht sie nur noch unscharf! Und die innere Freiheit ist ohnehin abgeschafft. (Oder sagen wir so: sie hat keinen offiziellen Stellenwert mehr. Aber freilich wird es immer Menschen geben, die über ihrem Zeitalter stehen.)

In dem Versuch, die äußere Freiheit zur inneren zu machen, ist ihnen auch noch erstere unscharf geworden, weil man sie durch die falsche „Linse“ fokussiert!

Und so therapiert man die Freiheit nun ähnlich, wie man das mit der Toleranz gemacht hat. Die Therapien überschneiden sich zuweilen: Man sucht Schlagwörter, Floskeln, plakative Themen und natürlich Feindbilder. Natürlich geht es der Abklärung darum, wieder ein „scharfes Bild“ zu generieren, aber eben nicht, indem man eine geeignete „Lese“-Distanz sucht.

Sondern, indem man in und durch dieses unscharfe, diffuse, verwirrende Nebelgebilde willkürliche Grenzen zieht. Da aber die Abklärung diesbezüglich so blind ist wie ein 20-Dioptrien-Patient, dem man die Brille versteckt hat, sucht sie nach fixen Anhaltspunkten, was Freiheit auf keinen Fall ist. Abgesehen davon, werden die Linien praktisch blind gezogen.

Zwei dieser beliebten Anhaltspunkte sind „links“ und „rechts„. Da wird zwischen der rechten und der linken Seite dieses unscharfen Gebildes Faden gespannt, und alles, was auf der jeweils anderen Seite des Fadens ist, ist „böse„, also unfrei. Nachdem die äußere Freiheit unscharf geworden ist, sind weitere Differenzierungen unmöglich. Wenn man sich einer Sache nicht sicher ist, so sucht man so lange nach „linken“ oder „rechten“ Anhaltspunkten, bis man sie diesseits oder jenseits des Fadens einordnen kann. So werden nun alle Dinge als „ganz für die Freiheit“ oder ganz unfrei, als ganz schwarz oder ganz weiß, als ganz böse oder ganz unschuldig eingestuft.

Moralische Unsicherheit neigt immer zur Radikalität. Und daher hat der unscharfe Blick auf die äußere Freiheit (von der inneren reden wir noch gar nicht) einen Manichäismus ausgelöst: Eine moralische schwarz-weiß-Malerei. Der Manichäismus ist jene bipolare Störung der Moralität, an der das Zeitalter der Abklärung leidet.

Die Sicht des Zeitalters der Abklärung auf die Freiheit ist eine Sicht durch die manichäische Linse, die zugleich verunschärft und polarisiert, die einen undifferenzierten Graugatsch produziert, diesen Graugatsch aber unbedingt unter entweder „schwarz“ oder „weiss“ einordnen will. („Buntheit“ würde ich in dieser Metapher ohnehin nur der inneren Freiheit zuschreiben….)

Ein Beispiel: Dass die „Freiheit“ des Geldflusses, des Warenverkehrs, der Finanztransaktionen tatsächliche Freiheit sei: Auf eine solche Idee kann natürlich nur eine Zeit kommen, der es an innerer Freiheit mangelt. Eine „Freiheit“, die die tatsächliche Freiheit zerstört. Aber dies läßt sich bei jener paradoxalen Verwechslung von innen und außen nicht erkennen.

Ein anderes Beispiel: In den frühen 90er Jahren waren die „Grünen“ gegen den Beitritt Österreichs zur EU. Aus guten Gründen, u.a. den im obigen Beispiel genannten. Sie befürchteten zurecht den Turbokapitalismus. Im Übrigen war auch die FPÖ dagegen, aber aus anderen Gründen.

Heute sind die Grünen für die EU. Und zwar total. Warum? Zwar mögen auch die Grünen den Kapitalismus nicht, aber noch weniger mögen sie den Nationalsozialismus.  Nachdem aber das Wort „National“ im Wort „Nationalsozialismus“ enthalten ist, so muss alles, was „national“ ist, auch sehr böse sein. Man wird zb. nie einen Grünen sehen, der Wiener Schnitzel als „österreichisches Nationalgericht“ bezeichnen würde. Da müsste er sogleich speiben, wenn er in der luftig-knusprigen Panier den Stacheldraht der Konzentrationslager mit essen müsste!

Die EU löst den Nationalismus auf, sie ist also, im Blick durch die manichäische Linse, gut und also die Freiheit.

Und dann ist auch noch die FPÖ gegen die EU! Mehr Bestätigung braucht ein grüner social justice fighter nicht, um absolut, total, 100%ig  FÜR die EU zu sein. Er wird  den kapitalistischen Irrsinn, der im europäischen Filz wuchert, kommentarlos schlucken. Mehr noch, er wird jeden, der an die ursprünglichen Gründe, warum die Grünen dereinst EU-kritisch waren, sofort niederbrüllen und als „Nazi“ bezeichnen.

In diesen beiden Beispielen sehen wir ein sehr fortgeschrittenes Stadium jener manichäisch-bipolaren Störung, deren eigentlicher Grund der Materialismus ist.

 

6. Im Narthex (zwischen innen und außen)

Freilich sind EU, offene Grenzen und dergleichen nur ein sehr unzureichendes Surrogat für tatsächliche, innere Freiheit, also musste noch ein saftiges Feinbild her, an der man „Freiheit“ per negationem festmachen kann, und das ist die Kirche.

Wenn aber die Kirche (wir folgen wieder der manichäischen Logik) böse und unfrei ist, dann muss auch Glaube böse und unfrei sein. Was unfrei ist, ist freilich auch unvernünftig, und nachdem sich die Abklärung für vernünftig und wissenschaftlich hält, ist der Glaube dann auch unwissenschaftlich.

Bitte das richtig zu verstehen: Die Fehlentwicklungen innerhalb der Kirche sind nicht zu leugnen. Siehe mein Kapitel „Hirtenbrief„. Ich bin der festen Überzeugung, dass sowohl die pädophilen Missbrauchsfälle, als auch deren Vertuschung nur ein äußeres Symptom einer tiefer liegenden Fehlentwicklung sind. Ebenso die diplomatischen salbungsvollen Reden vieler Kirchenvertreter, die so oft substanzlos sind. „Nur nichts falsches sagen!“ scheint da das Motto zu sein, oder: „bevor ich etwas sage, das irgend jemanden aufregen könnte, sage ich lieber gar nichts.“ So eine Einstellung erzeugt natürlich Verspannung.

Man kann es aber nicht immer allen recht machen.

Oft kommt der Ratschlag: „Die Kirche soll sich den modernen Zeiten öffnen.“ Aber was soll dieses Moderne sein? Etwa die Abklärung? Der Manichäismus? Die Hysterie? Die intellektuelle Erstarrung? Das sind doch genau jene Eigenschaften, die man der Kirche vorwirft!  Soll sie diese Eigenschaften jetzt erst recht übernehmen?

Hat es Humor, Tiefsinn Intellektualität und vor allem Mystik nicht schon in früheren Zeiten gegeben? Man lese Meister Eckehart!

Das Problem der Kirche ist, dass sie sich in den falschen Dingen der „Moderne“ angepasst hat. Was die Kirche braucht, sind mystische Begabungen. Menschen, die über die Schichteungen des Geistes Bescheid wissen, und trotzdem nächtelang durch-lachen können. Übrigens ist das kein Widerspruch, sondern eine Wechselwirkung.

Aber das wäre dann Stoff für einen eigenen Beitrag.

Schwachsinnig, oder eben Resultat oben genannter Sehschwäche, ist es aber, aufgrund von Fehlern der Kirche gleich auch den Glauben abzuschaffen!

Die Abklärung hat, auf der -sehr legitimen- Suche nach Freiheit, den bequemen Weg gewählt. Anstelle sich dem Spannungsraum zwischen Geistigkeit als dem Ort innerer Freiheit einerseits und weltlicher Freiheit andererseits zu stellen, hat sie sich auf das bloß Weltliche, das bloß Äußerliche fokussiert. Das Ergebnis ist bekannt.

Irgendwann wird sich das Zeitalter der Abklärung von selber verobsoletieren, es wird als ein ähnlich tumbes Zeitalter in die Geschichte eingehen wie die Vorbarocke, wie die Zeit des 30jährigen Krieges. In seiner Anti-Spiritualtät, in der Schwäche seiner Kunst, in der Primitivität seiner Helden sind sich die Zeiten sehr ähnlich.

Aber deswegen muss man es ja nicht unkommentiert lassen! Und wie könnte man diese Zeit weiter entwickeln? Bleiben wir bei der Metapher der Linse und des Auges: Wenn eine Linse ein unscharfes Bild wirft, so befindet sich der Brennpunkt nicht auf der Netzhaut. Sagen wir, der Brennpunkt befinde sich dahinter. Wenn wir die Entfernung zur äußeren Freiheit nicht vergrößern wollen, dann müssen wir den Brennpunkt finden, wo unser Bild wieder scharf wird.

Wir müssen sozusagen ein neues, tieferes Auge entwickeln, das diesen Brennpunkt einfängt. Ein mystisches Sinnesorgan. Besser gesagt: Wir müssen es nicht entwickeln. Es ist schon da.

Wir müssen nur die Augen aufmachen.


18 Antworten to “Zeitalter der Abklärung IX: Die manichäische Linse”


  1. Mai 19, 2019 um 10:22 am

    Vielen Dank für Dein Wort zu meinem Sonntag. Am besten hat mir der Satz geafallen: „Aber was soll dieses Moderne sein? Etwa die Abklärung? Der Manichäismus? Die Hysterie? Die intellektuelle Erstarrung?“
    Genau so erlebe ich die Moderne. Die Beschreibung, die Du gefunden hast, ist noch höflich ausgedrückt.
    Hier noch ein paar Gedanken zur Freiheit.
    Es heißt immer wieder, die dunklen zwölf Jahre, seien durch die totale Unfreiheit geprägt gewesen. Ich glaube das nicht.
    Die meisten Menschen mussten zu nichts gezwungen werden. Den Kriegsdienst hielten sie für eine heilige Pflicht, was ja auch nicht immer falsch ist. Es gab sicher Millionen Menschen, die nicht nur Mitläufer, sondern begeisterte Helfershelfer waren. Die Bekennende Kirche war ein versprengtes Häufchen, die Deutschen Christen hingegen der absolute Mainstream, so wie die links-grüne Schickeria heute.
    Ein so großes Volk wie das deutsche, kann man nicht allein mit Zwang bei der Stange halten, sondern es braucht vor allem die Propaganda und die Beherrschung der Metapolitik.
    Die Nazis waren Meister darin, sie hatten es sich aus dem Lehrbuch „Propaganda“ von Edward Berney, einem nahen Verwandten Siegmund Freuds, abgeschaut.
    Auch der Nationalsozialismus war eine hochmoderne Bewegung, auf die alle Attribute zutreffen, die du so schön beschrieben hast: „Der Manichäismus, die Hysterie, die intellektuelle Erstarrung?“
    Hannah Arendt hat in einem Ihrer Bücher geschrieben, dass die Anfälligkeit für diesen Manichäismus der Ausgrenzung bei Intellektuellen viel ausgeprägter war, als bei einfachen Menschen.
    Sie liefert auch gleich die Erklärung dazu. Intellektuelle, die mit Juden nach 1935 immer noch Umgang pflegten, hatten etwas zu verlieren nämlich ihre Karrierechancen. Der selbständige Bäckermeister hingegen war viel standfester und hat sich viel länger geweigert, seine jüdischen Kunden nicht zu bedienen.
    Strukturell leben wir bereits wieder in einer ähnlich manichäischen Welt, wie in jenen dunklen Jahren: Jeder, der diesen hysterischen Manichäismus nicht mitmachen will, sollte seinen Beruf nicht mehr ausüben dürfen und niemand sollte mit Ihm verheiratet sein.
    Schlimmer noch eigentlich sollte man solche Menschen am besten in ein Lager stecken, wo sie dem gesunden Volkskörper nicht mehr schaden können.
    Wer dies öffentlich anprangert und beim Namen nennt, wie Akif Pirinci, wird in seiner gesamten schriftstellerischen Existenz vernichtet und von allen Plattformen verbannt. Das Einzige, was die damalige Zeit von der heutigen unterscheidet, ist, dass man ihn nur medial und wirtschaftlich wegsperrt und noch nicht physisch aber auch das kann passieren wenn man als Dissident hartnäckig ist, wie Tommy Robinson, Billy Six oder Martin Sellner.
    Auch Anschläge der sogenannten Antifa auf Häuser, das Abfackeln von Autos und Rollkommandos, die Abgeordnete, Verleger und Intelektuelle krankenhausreif schlagen, sind mittlerweile an der Tagesordnung.
    Nicht zufällig reimt sich SA auf Antifa. Die Methoden sind identisch und ebenso sind diese modernen Gesinnungstäter der festen Überzeugung, sie dienten einer vermeintlich guten Sache.
    Das alles sind meiner Meinung nach Anzeichen dafür, dass tatsächlich wieder ein Gespenst umgeht in Europa und die Links-Grüne Meinungselite manifest Angst davor hat, ihre Hegemonie und ihre Fleischtöpfe zu verlieren.
    Sie greifen mittlerweile zu Mitteln, die an Niederträchtigkeit und Charakterlosigkeit kaum noch zu unterbieten sind, wie man jüngst an der „Ibiza-Affäre“ gegen Strache sehen kann, die minutiös seit über drei Jahren mit geheimdienstlichen Mitteln vorbereitet wurde, um nun eine Woche vor der Europawahl eine Bombe zu zünden, die Strache zum Rücktritt gezwungen hat.
    Vielleicht hat der gleiche Geheimdienst auch schon den Machtwechsel durch einen der ihren in der FPÖ-Führung miteingeplant. Schmutziger und widerlicher geht es kaum.
    Das einzige was in Ibiza wirklich enthüllt wurde, ist der infame charakterlose Vernichtungswille der Mainstreammedien und mit ihm die Entlarvung der strukturellen Gewissenlosigkeit der gesamten links-grünen Schickeria.
    Der heilige Zweck, die Vernichtung des politischen Gegners, rechtfertigt jedes, aber auch jedes Mittel.
    Das ist genau das, was Benedikt XVI. in seinem Sendschreiben vor Ostern zurecht angeprangert hat.
    Die Abklärung, wie du sie nennst, führt negativ dialektisch in den Totalitarismus, wie schon Adorno richtig erkannte, von dem man das gar nicht erwartet hätte, war er doch der Chefideologe der Umerziehung nach dem zweiten Weltkrieg, die man auch schon als Charakterwäsche bezeichnet hat.
    Er selbst durfte oder musste es noch erleben, wie die Revolution nicht nur ihre Kinder frisst, sondern auch ihre Ikonen. Seine Vorlesungen und sein Institut wurden von den 68ern gestürmt und er selbst hat unmittelbar danach das Zeitliche gesegnet.

    • 2 Kardinal Novize Igor
      Mai 19, 2019 um 9:56 pm

      Ja, der Ibiza-Skandal wird wohl noch ein Nachspiel haben.

      Sollte die Aktion tatsächlich vom BND sein, wird es ein Comeback geben.

      Ich nehme an, dass Strache der eigene Rücktritt nicht ganz zuwider ist. Denn nun kann er Bürgermeister von Wien werden- ein Posten, der im allgemeinen Beliebter -und stabiler ist, als der des Kanzlers.

      Akif Pirinci, danke für den Tipp, werde ich googeln!

      LG KNI

      • Mai 20, 2019 um 10:01 am

        Pirinci ist wirklich Hardcore. Um den zu lesen braucht man wirklich starke Nerven und sehr viel Toleranz in Geschmacksfragen. „Deutschland von Sinnen“ hat viel Spaß gemacht beim Lesen und würde über Nacht ein Bestseller. Noch erfolgreicher waren seine Katzenkrimmis, die haben sie bei Amazon auch gelöscht. Er ist nicht der einzige Autor, dessen Bücher in guter alter Tradition digital verbrannt werden. Pirincis Spruch über die Lager haben sie in sein glattes Gegenteil verkehrt und ihn damit geköpft.

  2. Mai 19, 2019 um 10:42 am

    Noch einige Gedanken zum Thema Freiheit.
    Meiner Ansicht nach ist es ein großes Missverständnis, Freiheit nur als Freiheit von Zwang zu verstehen. Das ist ein sehr vordergründiger und kurzsichtiger Freiheitsbegriff.
    Hegel hat einmal gesagt, Freiheit sei die Einsicht in die Notwendigkeit und damit hatte er recht. Erst durch die Einsicht, dass ein friedliches Miteinander notwendig ist, entsteht Freiheit. Sie entsteht dadurch, dass sich fast alle an die vereinbarten Regeln halten und nur in Ausnahmefällen die Freiheit mitunter auch mit Gewalt verteidigt werden muss.
    Erst durch die Konventionen, die ein friedliches Zusammenleben regulieren, wird so etwas wie Freiheit überhaupt möglich. Gäbe es das nicht, müsste sich jeder selbst gegen etwaige Übergriffe Krimineller verteidigen und seine Freiheit dadurch selbst einschränken, indem er sich in seinem Haus verbarrikadieren müsste und nicht mehr „frei“ herumlaufen könnte.
    Freiheit entsteht erst im Rahmen einer Ordnung, die im Zweifel auch mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden muss, es sei denn man wollte es als Freiheit bezeichnen, dass man jeder Zeit Opfer eines Verbrechens werden kann, ohne dass das Konsequenzen für den Täter hätte.

    • 5 Kardinal Novize Igor
      Mai 19, 2019 um 10:01 pm

      Ja, absolut: Freiheit ist etwas paradoxales.

      Darum unterscheide ich auch zwischen äußerer und innerer Freiheit. Die äußere Freiheit kann es immer nur in beschränkter Form geben. Die innere Freiheit ist da weitaus weiter. Goethe hat (so ungefähr) gesagt: Er wäre ein Verbrecher geworden, hätte er nicht schreiben können.

      LG KNI

      • Mai 20, 2019 um 9:53 am

        Du hast recht, die innere Freiheit ist viel wichtiger. Leider merken die wenigsten, dass sie diese innere Freiheit längst nicht mehr haben. Stattdessen applaudieren sie dem Kaiser, der gerade angesagt ist und merken nicht mal das er nackt ist.

  3. Mai 19, 2019 um 11:27 am

    Noch was zum Thema Glauben
    Das meiste, was wir zu wissen meinen, glauben wir nur, weil es von Instanzen verkündet wird, denen wir vertrauen.
    Es ist ausgesprochen fragwürdig, was wir überhaupt wissen können. Der Einwand des Sokrates, er wisse, dass er nichts weiß, gilt nach wie vor.
    Es ist gerade dieses Wissen um das Nichtwissen, das Sokrates gegenüber seinen Zeitgenossen überlegen macht. Ihnen ist es nicht bewusst, dass sie alles, was sie zu wissen meinen, auch nur glauben.
    Die Kirche steht auf der Seite des Sokrates, da sie davon ausgeht, dass sie nur einen Glauben zu bieten hat, und sich nicht anmaßt, etwas sicher zu wissen.
    Selbst das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes erhebt diesen Anspruch nicht. Es behauptet nur, dass etwas wahr ist, weil der Papst es sagt, nicht weil es tatsächlich wahr ist. Genau diesen Anspruch erheben allerdings die Wissenschaften.
    In den seltensten Fällen kann ich den Wahrheitsgehalt einer wissenschaftlichen Aussage selbst überprüfen. Das geht vielleicht bei dem Gesetz der Schwerkraft. Bei vielen anderen Dingen geht das sicher nicht.
    Niemand kann mit Sicherheit das Wetter länger als einige Tage voraussagen. Das gilt auch für die Durchschnittstemperatur im Jahresmittel. Das geben selbst die Autoren des IPCC zu, wenn auch erst auf Seite 723 im Kleingedruckten. Im dritten Bericht des IPCC, veröffentlicht im Jahr 2001, heißt es: „In der Klimaforschung haben wir es mit einem gekoppeltem, nicht-linearen, chaotischen System zu tun. Deshalb ist eine langfristige Vorhersage zukünftiger Klimazustände nicht möglich.“ (Kapitel 14, Abschnitt 2.2.2)
    Das Hauptproblem der Wissenschaft besteht darin, das Sie sich der Vorläufigkeit und der Fehlbarkeit ihrer Erkenntnisse nicht bewusst ist.
    Es ist auch nicht so, dass dieses vorgebliche und vermeintliche Wissen den Glauben überflüssig machen könnte. Das Hauptproblem der Wissenschaft besteht darin, dass sie sich ihrer selbst nicht bewusst ist. Sie leidet unter einem Mangel an Selbstreflexion. Sie gibt sich der völlig verqueren Anschauung hin, als gäbe es einen Standpunkt jenseits aller Dinge, den der Wissenschaftler einnehmen könnte. Diese Weigerung zur Selbstreflexion nennt man auch Objektivität. Es ist Mode geworden, die Existenz Gottes zu leugnen, weil es dafür gute wissenschaftliche Gründe gäbe. Stattdessen glaubt man an die Existenz der Objektivität, die nicht einmal vernünftig gedacht werden kann. Das haben selbst Quantenphysiker mittlerweile eingesehen, als sie entdeckten, dass der Beobachter immer auch Teil Messung ist, die er durchführt und mit beeinflusst. Der Physiker Heisenberg nannte das die Unschärferelation.
    Stekeler Weithofer, der von mir so geschätzte Hegelinterpret, sagt, es komme alles darauf an, dass auch die Wissenschaft zu sich selbst kommt, d.h. sich im historischen Prozess selbst reflektiert.
    Erst wenn sie dazu in der Lage ist, und im Augenblick sieht es ganz und gar nicht danach aus, wird sie sich vom Dogma Schritt für Schritt entfernen können, um dem näher zu kommen, was ihre eigentliche Aufgabe ist, das Finden der Wahrheit.
    Mit Sokrates möchte ich behaupten, dass die Wahrheit darin besteht, dass man ihrer nicht habhaft werden kann.
    Trotzdem kann kein Zweifel daran bestehen, dass es die Wahrheit notwendig gibt. Gäbe sie es nicht, könnten wir nicht davon reden, dass irgendetwas gelogen sei. Uns käme der Maßstab abhanden.
    Freiheit braucht diesen Maßstab, wie wir die Luft zum Atmen. Es braucht einen Konsens darüber, ob etwas richtig oder falsch, wahr oder gelogen ist.
    Dieses Letzte unverfügbare gilt es festzuhalten, wie Josef Ratzinger richtig betont. Die Wahrheit darf nicht zum Spielball unserer Interessen werden. Es geht nicht darum, die Wahrheit zu kontrollieren, wie er hervorhebt, sondern sich von ihr ergreifen zu lassen.

  4. 8 Kardinal Novize Igor
    Mai 19, 2019 um 10:43 pm

    Dass man sich von der Wahrheit, die Christus ist (das sag ich jetzt mal so apodiktisch) ergreifen lassen soll, darin stimme ich mit dir und Benedikt XVI vollkommen überein.

    Die Wissenschaften erheben aber diesen dogmatischen Anspruch nicht; es sind immer nur die Wissenschaftsgläubigen, die das Dogmatische hinein interpretieren. Es gibt reflektierte Wissenschaftler zur Genüge; und sie alle wissen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse stets nur Arbeitshypothesen sind, wenn auch oft sehr starke und extrem gut fundierte. Siehe auch die Diskussionen mit @Yeti.

    Es ist ja zum Glück so, dass wir bei Heisenberg nicht von einem aktuellen Physiker sprechen, auch seine Unschärferelation hat mittlerweile 100 Jahre auf dem Buckel: Und alle jungen Quantenphysiker haben diese Theorie „inhaliert“: Sie alle wissen über die Subjektivität jeglicher Beobachtung bestens Bescheid. Es handelt sich hier also keineswegs um eine Randgesellschaft, sondern eigentlich um die Mitte der Physik.

    Die eingeschworenen Atheisten findet man denn auch unter Biologen, Soziologen, etc. Die Historiker etwa würde ich eher als Hysteriker bezeichnen, so tendenziell ist das, was man dort zu hören bekommt. Bei manchen Vorlesungen hätte selbst Stalin seine Freude gehabt. Da lobe ich mir die Naturwissenschaften. Ein Atom kann man so einfach verpolitisieren…

    Du sprichst auch die Chaostheorie an. Das erinnert mich an einen scherzhaften Blogbeitrag, den ich vor Jahren geschrieben habe: Ich kann zwar das Wetter der nächsten zwei Wochen nicht vorhersagen, dennoch weiß ich, dass es im Juli wärmer sein wird als im Jänner (im Durchschnitt).

    Warum wissen wir das? Weil es die Sonne gibt. Weil die, im Juli, so viel Energie liefert, dass sie den chaotischen Faktor aushebelt. Natürlich nicht in den Details. Es kann auch im Juli regnen oder klar sein usw. Aber so kalt wie im Jänner ist es eben nie (im Schnitt). Chaostheorie ist etwas spannendes, aber auch sehr kompliziertes, man muss bei deren Interpretation aufpassen. Die angesprochene IPCC-Passage lässt auch nicht klar erkennen, welche Zeitabschnitte gemeint sind. Auf 5000 Jahre wird sich das Klima wahrscheinlich nicht bestimmen lassen, aber die momentane Tendenz ist eindeutig, und es ist ebenso eindeutig, dass diese Tendenz auf Jahrzehnte nicht vom Chaos-Faktor überlagert ist.

    Ich bin deiner Meinung, dass die Mischung aus Wissenschaftsgläubigkeit, Emotionalisierung und Ant-Spiritualtät dumm und gefährlich ist. Aber, um es noch einmal zu betonen, es ist zu trennen zwischen dem Abstractum der „Wissenschaft“, den einzelnen Wissenschaftlern und den sie verfolgenden, mehr oder weniger klugen Groupies.

    LG KNI

  5. Mai 20, 2019 um 12:59 pm

    Naja, KNT da hast Du noch einmal ganz gut dir Kurve gekriegt, denn was ich da gestern gelesen habe, hat mir schon enorm viel Angst gemacht und ich habe gedacht: „Das ist ja sagenhaft da schwappt mir doch glatt die schwarz braune Brühe an die Oberkante der Unterlippe. Das macht mir doch wahnsinnige Angst vom Ekel mal ganz abzusehen, der damit verbunden ist.!“
    Zum Glück sind es ja nur Gedanken, aber diese Gedanken von einer Ecke in die andere zu räumen ist einfach nur Blödsinn. Da ist es besser die Gedanken zu eliminieren und gut ist. Aber jetzt habe ich auch verstanden bei wem Du Novize bist. Zum Glück habe ich den Auftrag meine Feinde zu lieben und das tue ich eben auf meine Weise und für Kameraden Deiner Sorte ist das dann eben Chaos.
    Im Anfang war die Erde wüst und leer…..

  6. Mai 21, 2019 um 1:11 pm

    Du hast natürlich recht, man kann zwar das Wetter der nächsten Woche nicht vorhersagen, aber die ungefähre Durchschnittstemperatur schon.
    Das verhält sich ähnlich wie in der Quantenphysik, in der ja die Prozesse auf der Mikroebene zufällig ablaufen, in der Summe aber dennoch sehr genaue Strukturen erkennbar sind. Wie auch immer.
    Die Belege für den „menschengemachten Klimawandel sind aber meiner Meinung nach keineswegs so „eindeutig“, wie du es siehst.
    Es gibt durchaus ernst zu nehmende Wissenschaftler, die anderer Meinung sind. Ganze Parteien und Regierungen schließen sich mittlerweile dieser Skepsis an. Natürlich ist das kein Argument, da in der Wissenschaft allein die Wahrheit und nicht die Mehrheit das Kriterium ist.
    Jedenfalls finde ich die Apologetik, die Welt ginge in der Folge von Treibhausgasen innerhalb der nächsten 12 Jahre unter, ist nicht nur übertrieben, sondern in meinen Augen Panikmache und Propaganda.
    Hätten ähnlich dystopische Vorhersagen zugetroffen, gäbe es heute längst kein Erdöl mehr und die Wälder wären vom Erdball verschwunden.
    Ein Bekannter hat sich einen E-BMW gekauft. Er ist ganz stolz, weil das Ding eine Beschleunigung hat wie ein Porsche. Wahrscheinlich ist sein kleines Wunderwerk auch genauso teuer. Bei ziviler Fahrweise kommt er damit bis zu 300 Kilometer weit. Dann muss er an die Steckdose. Das dauert im günstigsten Fall bei einer Schnellladung zwei Stunden.
    Dumme Frage, wie lange wären die Schlangen an den Tankstellen, wenn jedes Auto zum Aufladen zwei Stunden benötigen würde?
    Was in der derzeitigen Diskussion völlig ausgeblendet wird, ist die Tatsache, dass der Strom nicht einfach so aus der Steckdose kommt, wie kleine Kinder das gerne annehmen.
    Die Energie, die für den Straßenverkehr benötigt wird, entspricht ungefähr der Netzleistung unseres gesamten Stromnetztes, jeweils 20% des Gesamtenergiebedarfs. Der Rest geht überwiegend für Wärme drauf.
    Man bräuchte also eine Verdopplung der derzeitigen Stromproduktion, um die Straße zu elektrifizieren. Wie man das CO2 neutral hinbekommen will, bleibt das große Geheimnis der Klimakirche, dabei ist die Energie, die für die Produktion der Batterien benötigt wird, deren Ressourcenverbrauch und die Entsorgung der giftigen Abfälle, die dabei entstehen, noch gar nicht mitgerechnet.
    Das einzige, was als gesichert gelten kann, ist, dass wer in diese vernunftwidrige von oben verordnete und mit Unsummen subventionierte Technologie investiert, dabei sehr reich werden kann.
    Wenn man schon an den menschengemachten CO2 induzierten Klimawandel glauben will, dann wäre eine andere Technologie viel erfolgversprechender.
    Die Firma Audi hat ein Verfahren entwickelt, mit dem man aus Wasser, Strom und CO2 einen Dieselersatzstoff synthetisieren kann, mit dem ein herkömmlicher Verbrennungsmotor betankt werden kann.
    Da das freigesetzte CO2 wieder in Kraftstoff umgewandelt werden kann, wäre diese Technologie tatsächlich CO2 neutral. In Dresden läuft ein Pilotprojekt und in Norwegen plant man eine größere Anlage.
    Man könnte die Dieselproduktion in den Überlastzeiten des Netztes hochfahren, statt diese Kapazitäten an Nachbarstaaten abzugeben und auch noch dafür zu bezahlen, wie das derzeit immer wieder der Fall ist. Das wäre dann auch eine Technologie, mit der man Energie speichern könnte.
    Das Problem wäre dann nur noch, dass die Menschen weiterhin ausatmen und dabei CO2 erzeugen. Noch einmal so viele Treibhausgase entstehen durch den Verzehr von Fleisch und der damit verbunden Massentierhaltung.
    Aber selbst Veganer bekämen ein Problem, wenn kein CO2 mehr produziert würde. Wie sollten die Pflanzen dann ihre Photosynthese bewerkstelligen, die sie so nötig für ihr Wachstum brauchen.
    Ich empfehle allen, die es besser wissen, wenigstens die Luft möglichst oft anzuhalten. Auf diese Weise können sie nachhaltig etwas für das Klima tun. Auch ein Winter ohne Heizung kann helfen, ebenso wie der Verzicht auf ständige Flugreisen zu Weltklimakonferenzen.

  7. 12 Kardinal Novize Igor
    Mai 21, 2019 um 8:47 pm

    Wie du richtig sagst, stehen wir vor dem alten Problem, welcher Autorität man vertrauen soll. Ich sehe hier nur eine zielführende Möglichkeit: Man lese sich Primärliteratur durch. Es ist mir durchaus bewusst, dass das nicht jedem möglich ist, weil erstere ein Vorwissen verlangt, das man nicht in der Schule vermittelt bekommen kann.

    Natürlich kann auch Primärliteratur gefaked sein; aber die Chance, hier etwas Richtiges zu lesen, ist doch höher als anderswo. Es ist immer gut, ein Thema von beiden Seiten zu beleuchten; das habe ich getan. Und es ist mir tendenziell aufgefallen, dass die Kritiker der Theorie des Klimawandels, wenngleich ihre Deduktionen manchmal durchaus phantasievoll sind, so doch immer Inkonsistenzen aufweisen, derer diese sich nicht bewusst sind, weil ihnen die nötige Physik fehlt. Das soll nicht gegen deren Intelligenz sprechen; es kann nicht jeder ein Experte für alles sein.

    Aber ich halte es für sinnlos, sich auf Basis von vereinfachender Sekundärliteratur in der einen oder anderen Richtung zu ereifern. Dieses kann man nämlich allerorten beobachten.

    Ich empfehle noch einmal den Artikel:

    https://rmets.onlinelibrary.wiley.com/doi/pdf/10.1002/wea.2072

    hier geht es nicht nur um CO2, sondern auch um dessen Wechselwirkung mit Wasser, um adsorptive Sättigung des CO2, (etwas, das in der Klimawandel-Kritik so gut wie nie berücksichtigt wird), um Unterscheidung der IR-Aktivitäten, (Es gibt nicht nur eine IR Strahlung) usw.

    Ad: CO2 mit Strom in Kraftstoff zu verwandeln:

    Ich bin deiner Meinung, dass Elektroautos gar nichts lösen werden. Das glauben nur die Grünen.

    Aber es stellt sich die Frage: mit WELCHEM Strom will man CO2 in Kraftstoff verwandeln? Wenn es sich hierbei etwa um Strom aus Kohlekraftwerken handelt, ist das selbstverständlich NICHT CO2 neutral. Weil ja bei der Produktion solchen Stromes erst recht wieder CO2 anfällt. Hier würde das Problem nur verschoben werden, und zwar so, dass noch mehr CO2 anfällt. Nur Solarenergie,Wasserkraft. oder (abgesehen von Sicherheitsbedenken) Kernkraft käme infrage.

    Wenn wir aber genügend Strom hätten, um dieses Projekt zu betreiben, kann man ebenso gut bei Elektroautos bleiben: Die indirekte Verwendung von Strom, nämlich über die Produktion künstlichen Sprits, ist nämlich noch viel energieintensiver als die direkte Verwendung.

    Hier bin ich es, der einen Propagandatrick wittert.

    LG KNI

    • Juni 3, 2019 um 5:58 am

      Lieber @KNI
      Danke für Deine Einladung hier zu kommentieren.
      Allerdings ist das ein wahrlich großes Thema und ich muss mir erst ins Klare kommen, wie ich hier beginne. Auch bin ich zur Zeit mit anderen Dingen beschäftigt.
      Lg

  8. Juni 8, 2019 um 4:23 pm

    So, jetzt habe ich wieder mehr Zeit als die letzte Woche.

    Ja. Es geht um die Freiheit. Und zwar um zwei unterschiedliche Freiheiten, die Du als „innere“ und „äußere“ Freiheit bezeichnest.

    Die ÄUßERE Freiheit hat viel mit Unabhängigkeit zu tun und mit Ungebundenheit. Da geht es darum, von ÄUßEREN Einflüssen frei zu sein. Da die äußeren Kräfte nicht Null sein können, bedarf es ein gewisses Maß an Stärke, an Kraft, die innewohnen muss, sonst KANN man nicht äußerlich frei sein.

    Letzten Endes kommt man dahinter: nur der Starke kann UNABHÄNGIG sein. Nur der Starke kann UNGEBUNDEN sein. Der Schwache ist auf die SOLIDARITÄT angewiesen, die sehr viel damit zu tun hat, auch dem Schwachen die Wahlfreiheit zu ermöglichen.

    Äußere Freiheit für Alle nach dem Gießkannenprinzip ist also nicht möglich, weil nicht alle gleich stark sind.

    Punctum.

    Und wie ist es jetzt mit der INNEREN Freiheit?

    Innere Freiheit ist ein psychisches und auch ein religiöses Phänomen, das viel mit Versöhntheit zu tun hat.

    Bin ich mit mir selber im Reinen? Habe ich ein gutes Gewissen? Kann ich GdH gegenübertreten, ohne in Grund und Boden zu versinken?

    GdH ist der Erfinder der Freiheit.

    Meint
    Euer Christoph

  9. 15 Kardinal Novize Igor
    Juni 9, 2019 um 1:45 am

    @Yeti:

    Gut, dass du den sozialen Aspekt der Freiheit ansprichst.

    Die innere Freiheit ist natürlich auch -bis zu einem gewissen Grad- von der äußeren Freiheit abhängig. Andererseits ist diese Abhängigkeit nicht total. Man kann zb. ohne Auto innerlich frei sein. Andererseits: Luft, Wasser und Nahrung sind unabdingbar. Ohne Nahrung kann man nicht denken — da ist dann auch die innere Freiheit beeinträchtigt.

    Die absolute äußere Freiheit ist aber Illusion. Eine Freiheit, 4000 Häuser zu besitzen, kann es nicht geben. Oder die Freiheit, durch ein schwarzes Loch zu fliegen. usw. Brauche ich aber auch nicht, um innerlich frei zu sein.

    Vielleicht ist das der Fehler der amerikanischen Verfassung: dass sie die Freiheiten nicht unterscheidet…!

    LG KNI

    • Juni 9, 2019 um 7:03 pm

      Ja. Wenn ich 60 Stunden in der Woche arbeiten muss, damit ich gerade einmal Nahrung und Wohnung finanzieren kann, dann habe ich Null äußere Freiheit.

      Trotzdem ist es mir unbenommen, den Tag mit einem Liedchen auf den Lippen zu bestreiten.

      Trotzdem muss man ziemlich hartgesotten sein, um sich in solch einer Situation die innere Freiheit zu behalten.
      Lg

      • 17 Kardinal Novize Igor
        Juni 9, 2019 um 9:22 pm

        Stimme ich Dir zu.

        Darum habe ich auch geschrieben: Ein Rechtsstaat muss über die äußere Freiheit wachen. Und darum kritisiere ich die materialistischen Strömungen des Kapitalismus – weil sie uns zu Arbeitssklaven machen will, aber auch den „Tolerantismus“, weil die Lösung des Problems nicht die Abschaffung der Metaphysik sein kann. Und weil über den Materialismus beide Srömungen zusammen „arbeiten“.

        Ich empfinde zb. den Satz: „Es kann nicht genug Arbeit für 8 mrd Menschen geben“ nicht als Bedrohung, sondern als Befreiung.

        LG KNI


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